Scharlachrot
Als ich N. zum ersten Mal begegnet bin, hatte er noch einen Silberzahn und ich noch kein Interesse an Jungs. Kurz vor meinem 17. Geburtstag traf ich ihn wieder. Der Silberzahn war weg und unser erstes Gesprächsthema lag auf der Hand. Bald hatte ich nur noch Augen für den frechen blonden Typen, der mit den strubeligen Haaren, seinen Oxbow-Pullis in den leuchtensten Farben und seinem unstoppbaren Redeschwall in Rekordzeit mein Herz erobert hatte. Er hofierte mir überhaupt nicht, und trotzdem plauderten wir stundenlang. Unsere Gespräche drehten sich meistens um snowboarden und Politik. Ganz nach dem Motto: „Wer vor seinem dreissigsten Lebensjahr niemals Sozialist war, hat kein Herz. Wer nach seinem dreissigsten Lebensjahr noch Sozialist ist, hat keinen Verstand“, predigte er mir das sozialistische Gedankengut.
Das erste Mal küsste er mich zum Abschied nach einem Tag snowboarden.
Bald darauf waren wir auch offiziell ein Paar und ich lernte seine Eltern kennen. Die Gespräche am Esstisch über Politik, Kunst und Kultur sind mir heute noch präsent und wäre ich nicht N.s Freundin gewesen, ich hätte mich am liebsten von seinen Eltern adoptieren lassen. Meine Liebe zur Kunst und Politik war geboren.
Im Frühling begleitete ich die Familie in die Provence. Ich trank zum ersten Mal Pastis, fand Spargeln plötzlich lecker und verbrachte die meiste Zeit mit N. auf unserem Zimmer, wo ich wohl eine der orgasmusreichste Zeiten meines Lebens erlebte. Jedoch „the final step“ zögerten wir noch etwas hinaus. Leider, muss ich heute sagen, denn kurz nach den Ferien trennten wir uns. Irgendwie passte eine solch ernsthafte Beziehung noch nicht in unser Leben. Er wollte lieber mit seinen Kumpels abhängen und klettern gehen und ich hatte inzwischen ein Auge auf den Bruder meines besten Freundes geworfen. Zum Abschied schenkte mir N. eine CD von Patent Ochsner.
Über das Patent Ochsner-Konzert gestern Abend in der Kulturfabrik Kofmehl muss ich nicht berichten, denn es war wie immer einfach genial und die Leute tobten bis zur 3. Zugabe. Bei „Scharlachrot“ dachte ich wieder mal an N. und unsere Zeit. Es gleicht nun einem Kitschroman, traf ich doch beim Ausgang den blonden Strubelkopf, natürlich mit einem Oxbow-T-Shirt und immer noch dem strahlenden Lachen von damals. Ihn und seine Kumpels von früher zu treffen, setzte dem tollen Abend wirklich noch das I-Tüpfelchen auf. Ich bin stolz auf mich, denn zum einem schlug ich ein unmoralisches Angebot in den Wind von N. und zum anderen erlag ich auch den blauen Augen eines Typen nicht, den ich noch vor ein paar Monaten genüsslich vernascht hätte.
Mir bleibt von diesem Abend eine provisorische Verabredung zum Badminton spielen mit P. und die Gewissheit, dass sich gute Musik, alte Freunde und Schweppes Bitter Lemon ohne Alkohol wunderbar kombinieren lassen.
Tags: blaue Augen, PatentOchsner
12. November 2006 um 15:47
jitz stahn i da, woni myni zyt ha gha
vom chlyne bueb bis zum maa
e stadt wie so mängi mit hüser, strasse & lüt
da chläbt a auem e gschicht
e gruch, es grüüsch & nes gsicht
es vermische sech d biuder vo geschter mit dene vo hüt
am nordbahnhof fahren eim züg dervo
& i, i ha nie gwüsst, wieso
die ging wieder zrügg si cho
i gah druus, wenn i drinne bi
& wenn i duss bi, gahn i dry
myni heimat isch dert wo i no nie bi gsi
hie het dr pfarrer mi touft
hie han i glehrt, wie me louft
wie me misstritte macht & wieder ufsteit, we me isch gheit
hie han i luftschlösser bout
& ha mier grosses zuetrout
??bhaut dr bau immer schön flach?, hei die aute gseit
i ha eifach nid so wöue wärde wie die
ha packt & bi furt vo hie
nöimen aacho bin i nie
i gah druus, wenn i drinne bi
& wenn i duss bi, gahn i dry
myni heimat isch dert wo i no nie bi gsi
i ha ging das komische gfüeu
i hocki zwüsche de schtüeu
i ha dr fade verlore, irgendwo ungerwägs
i wett, es gieng mer am arsch verby
hätt nie dänkt, dass i da, won i gebore bi
jemaus so frömd würd si
i gah druus, wenn i drinne bi
& wenn i duss bi, gahn i dry
myni heimat isch dert wo i no nie bi gsi
text: büne huber (patent ochsner)
12. November 2006 um 16:52
tuuuuuut töööööröööö das isch no s Alphorn zu dem Lied!
14. November 2006 um 00:32
Den hatte ich auch mal, den Freund mit dem man über politische Themen talken kann und gleizeitig auch anderweitig auf seine Kosten kommt…;-)
Schöne Geschichte!
15. November 2006 um 21:19
in diesem beitrag erkenne ich mich gleich mehrfach wieder… es ist schön, in erinnerungen zu schwelgen.
15. November 2006 um 22:08
wirklich schöne geschichte :)
16. November 2006 um 00:26
@Aexel: Danke. Denkst Du noch manchmal an ihn?
@Chm: Ist es. Patent Ochsner und die Liebe, einfach unverzichtbar wie Butterbrötchen mit Honig…hmmm
@Florian: Thx, und sie ist erst noch 100% wahr! (Ausser dass ich doch ein kitzekleines Bierchen hatte ganz zu Beginn des Konzerts)
17. November 2006 um 02:08
@chnübli Ja, manchmal ganz oft sogar…
1. Juli 2007 um 00:50
Mein Pendant heisst Mirjam und die Musik kam von Lucio Dalla… ach waren das unbeschwerte Zeiten…
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