So um die Dreissig

30, diese Zahl verfolgt mich, und das nicht erst seit ich ebenso alt geworden bin. Ausgerechnet am Freitagabend kostete der Eintritt für die Mundartnacht „gägäWärt“ in der Kulturfabrik Kofmehl im Vorverkauf fast dreissig Franken. Ich verstehe immer noch nicht, warum Vorverkaufstickets für Kofmehlanlässe immer 2.– teurer sind als an der Abendkasse. Ich ging mit gemischten Gefühlen hin, war doch das Programm ein Jahr zuvor ziemlich – nennen wir es einmal – mühsam und ich überstand es beinahe nicht bis zur Pause. Ich schob es im Nachhinein nicht auf die Künstler, sondern auf die unbequemen Bänke. Dieses Jahr waren wir früher da und schon der hübsche Stempeljunge – wie nennt man Mitarbeiter, die nur Stempel auf der Gäste Handgelenkinnenseiten drücken müssen? – versprach einen aufregenden Abend. Leider hatte ich mich zu früh gefreut. Der Stempeljunge hatte nämlich schon eine Freundin und es reichte uns wieder nur auf die Holzbänke.

Simon Chen jedoch entschädigte mich sofort für meinen schmerzenden Hintern, der seit der Belly Off-Aktion einiges Polster verloren hat. Chen witzelte sprachgewandt, dass der Buchstabe „D“ im Solothurner Alphabet zweimal erscheine, einmal nach dem „C“ und einmal vor dem „U“ und rief auf zu „mehr Muet zum D, zeigt D-Muet“. Leider blieb es mit Simon Chen bei den positiven Ã?berraschungen. Bereits nach 30 Minuten hatte ich die Hoffnung aufgegeben, dass es sich noch bessern würde und mir wurde übel. Nicht nur wegen des Programms, sondern auch weil die Lüftung der Halle nicht zu funktionieren schien. Trotz Rauchverbot wurde unter der Tribüne an der Bar fleissig geraucht und uns in den oberen Rängen ging langsam die Frischluft aus. Weitere 30 Minuten später gab es endlich eine Pause. Die hatte ich auch mehr als nötig, denn zuletzt musste ich mir kopfschüttelnd Wortspiele des Walliser Mundartisten Rolf Hermann anhören, der in 30 Sätzen zu erklären versuchte, dass die Hauptsache sei, dass die „Gans gans (=ganz auf Walliserdeutsch)“ sei. Zum Glück stehen Walliser sozusagen unter Sprechschutz, da jeder bei diesem Dialekt automatisch an Fondue, schlechten Weisswein, der sofort besoffen macht und Snowboarden denkt.

Und? Wird es Euch schon langsam langweilig beim Lesen? Jetzt denkt Euch noch einen schmerzenden Hintern dazu und ihr kommt gerade in die richtige Stimmung. So kritisch bin ich erst seit ich 30 bin, was ja nicht unbedingt schlecht ist. Warum immer alles hochjubeln (Edit: Hier war der Artikel des Solothurner Tagblatts verlinkt, dessen Reporter den Abend gelungen und was weiss ich noch alles fand.), wenn’s doch wirklich nicht dem Gegenwert des Einkaufpreises entsprach? Schliesslich arbeite ich hart für meine mikrigen 30 Franken Lohn pro Stunde.

Was nun? Alkohol! Bier? Zu schwach? Genau. Nachdem ich mir für fast 30 Franken Bacardi-Cola geleistet hatte, kam ich endlich etwas in Wochenendstimmung. Statt Euch mit den restlichen Details dieses Anlasses zu nerven überspringen wir die nächsten 30 Minuten bis ich dann keine Luft mehr gekriegt hatte auf der Gallerie der Halle und zu meinem „Bedauern“ den Rest des Programms auslassen musste.

In der Raumbar nebenan ging es mir dann plötzlich wieder ausgezeichnet. Mike from Tribe legte auf, meine Stimmung wurde immer besser und Bacardi-Cola besorgte den Rest. Glücklicherweise gab es mehrere nette Herren, die mir freundlicherweise zu mehr Gleichgewicht verhalfen. Seit ich mich nicht mehr nur auf Männer im Alter um die Dreissig beschränke, sondern auch Jüngere durchaus zu schätzen gelernt habe, sind meine Parties im Kofmehl einiges lustiger geworden: Ich sortiere die Kiddies aus und streiche die offensichtlich weit über Dreissigjährigen und übrig bleiben diejenigen mit Jahrgang 1977 bis 1985. Die nächsten 30 Franken wurden mir dann auch in flüssiger Form spendiert. Leider waren alle Männer um mich herum schon vergeben und der einzige attraktive Singlemann diskutierte mit mir plötzlich über Religionswissenschaften. Normalerweise ein Thema, wo ich mich richtig ausleben könnte, aber mit Bacardi-Cola im Blut einfach sexuell zu wenig stimulierend. Mir wurde wieder übel, dieses Mal aber nur wegen der schlechten, rauchgeschwängerten Luft. Ich wankte die 30 Meter über die Strasse und schlief friedlich in der Praxis meines Vaters auf der Wassermassageliege ein.

langsam erhole ich mich wieder


Die nächsten 3 Tage fühlte ich mich dann wie dreissig sechzig und die restlichen Solothurner Literaturtage fanden beinahe ohne mich statt. Ich erhole mich immer noch. Leider habe ich keine 30 Tage mehr Zeit bis zur nächsten Sause. Um wieder fit zu werden habe ich diese Woche schon für 30 Franken Aerobickurse gebucht. Ich hoffe, es bringt etwas, schliesslich will ich ja bald wieder aussehen wie 25.

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24 Patienten zu “So um die Dreissig”

  1. axsnoxboarder sagt:

    Sehnsucht, Wehmut?…..Gans.

  2. luketown sagt:

    30 gute franken habe ich heute für den kavka und die kuttner ausgegeben.

    und die vorverkaufspreise sind höher, weil die veranstalter hoffen, das haus im vorverkauf voll zu kriegen, d.h. mehr zu verdienen. wenn es nicht ausverkauft ist, gibts an der abendkasse günstigere tickets um den rest zu füllen. da man aber nicht sicher sein kann, dass man noch günstige tickets an der abendkasse erhält, kauft man sich widerwillig die teureren tickets nur um dann zu merken, dass doch nicht ausverkauft ist. sondern halb leer.

  3. Andre sagt:

    Da passe ich mit Jahrgang 1981 ja genau ins Beuteschema :-)

  4. Monsieur Fischer sagt:

    also ich falle DEF. aus dem beuteschema raus… vielmehr frage ich mich aber, ob ich mir chnübli mitleid haben soll… nö, oder? hab mir den anlass auch schon mal angetan (sowie den rest der literaturtage). aber irgendwie kann ich mich leider nur in den wenigsten fällen erwärmen für das gebotene….

    es gab mal nen anlass mit ein paar „titanic“-menschen, das hat laune gemacht. und dazu hat es dann auch keinen bacardi-cola gebraucht. wobei so ein weekend ganz ohne alk kanns ja auch nicht sein *grins*

    gute besserung! ps: alkohol macht dick, impfall…

  5. SirParker sagt:

    Ich bin überzeugt, dass die nächste Sause Dich um Jahre verjüngen wird! :)

  6. Mr. Meteoman sagt:

    Ich bin nicht im Beuteschema, das beruhigt. Wegen den Bacardis: Da haben wir doch schon in einem bestimmten Garten so Erfahrungen sammeln können. Wo bleibt der Lerneffekt? (Wohl dort, wo er auch bei mir bleibt in Sachen Bier :-) )

  7. Sändy sagt:

    Gut ich fand es auch nicht der „oberwahnsinn“ am gägewärt, aber ich denke die hübschen gesichter, deines und dessen eines schönen mannes war diese gegend wert :-) (wert mit T) :-)!
    auf ein anderes mal, zbsp. rock im park,geht nicht mehr lange,juhuii ich freu mich so…küsschen

  8. NIGHTLIFE sagt:

    Ach, dass gibts ja nicht. wollte ich doch schon lange mal (habe mich bereits beim letzten blog gemeldet) mit dir eine baccardi brause veranstalten.. doch irgendwie ergibt sich das _leider_ bis jetzt nicht :-(
    sei auf der hut im park – schwimmer sind vor ort udn sammeln ideen für das nächste winterprogramm .. ;-)

    detail: „.. Handgelenkinnenseiten drücken müssen ..“ hmm aber ist nicht auf der aussenseite ein stempel zu erkennen?

  9. Anonymous sagt:

    …und tags darauf in stiller kammer busse tun beim katzenjammer….ab 30ig braucht der Körper einfach länger, und trotzdem macht man(n) es immer wieder…!

  10. ChliiTierChnübler sagt:

    @Axsnoxboarder: Sehnsucht nach Pizza.

    @Luketown: aha. Und wo bleibt eigentlich meine �berraschung? Der Postposte denkt schon ich hätte einen Knall, dass ich ihn täglich empfange.

    @Andre: Schön.

    @Monsieur Fischer: Ou nein, nur kein Mitleid. Ich bin aber froh, siehst Du das mit den Literaturtagen ähnlich… Ich dachte schon, meinen kritischen Geschmack nicht mehr Vertrauen zu können.

    @SirParker: Pssst, sag das nicht zu laut, sonst tanzen da noch mehr Verjüngungswillige an!

    @Mr. Meteoman: Das werden wir dieses Jahr wieder sehen. Ihr kommt doch oder?

    @Sändy: Ich ärgere mich immer noch, dass ich zu abgelenkt war und DEINEN tollen Fang nicht zu Gesicht bekam. Ich verlange eine Foto. So und jetzt muss ich ein Zelt besorgen gehen. Ein 3er Zelt wäre auch eine Idee oder?

    @Nightlife: Bacardi-Cola trink ich nur, wenn der Anlass oder die Stimmung schlecht ist, das wäre ja eine Beleidigung, wenn ich das mit Dir trinken würde, oder? Wegen dem Stempel: Handinnenseite-Stempel und weisse Jacke vertragen sich eben schlecht.

  11. NIGHTLIFE sagt:

    nenene.. baccardi mit mir zu konsumieren (auch in übermengen) ist niemals eine beleidigung!

  12. Anonymous sagt:

    Sicher dass es nur 30 Meter zur Praxis waren und nicht dere 30*(2^1/2)?

    Also nach 60 Franken Bacardi Cola laufe ich schon mal im Zick Zack :)

  13. Gniesser sagt:

    Damit sei bewiesen, dass mit Bacardi-Cola jeder Anlass zu einem Fest wird. Zum Glück liebe ich Bacardi-Cola!!! Ich denke dein junger Freund hat aber seine Cola OHNE Bacardi genippt, denn aus eigener Erfahrung kann ich versichern, dass nach 60 Franken â??Religionswissenschaftenâ?? sicher kein Thema mehr sind! Normale, männliche Wesen beschränken sich da auf das WESENTLICHEâ?¦

  14. florian sagt:

    oops, auch ich bin ja noch in den angezielten Jahrgaengen. Und Single bin ich ja auch (ich bevorzuge inzwischen den Begriff Junggeselle, hat mehr Wuerde). Nur sonst pass ich nicht ganz in Dein Beuteschema (nochmals Glueck gehabt ;-) oder doch eher Pech :-( ) egal, aber so kaputt siehst Du auf dem Photo ja gar nicht aus, wie Du tust :-)

  15. das blogorakel sagt:

    @ChliiTierChnübler: Jetzt bin ich doch tatsächlich eingenickt ;o) aber ich kann Sie sehr gut verstehen. Auch ein blogorakel wird schläfrig – wenn im Programmheft einer Oper (in ital. Sprache) angekündigt wird – dass das nette Fräulein bettlägrig ist und stirbt. Doch weil Madame sich vorm Sensemann drückte – sind mir doch tatsächlich die Streichhölzer unter meine Augenlidern weggebrochen.

    Daher vollstes Mitgefühl und Verständnis für den übermäÃ?igen Konsum des kubanischen alkoholhaltigen Brausemischgetränkes. Ich behaupte ja – dass das Beuteschema proportional zum eigenen Alter gröÃ?er wird. ;o)

    Eigentlich sollte ich betrübt und gekränkt sein – ich falle knapp aus dem Beuteschema heraus. Ã?brigens hilft bei aktuter Ã?bermüdung und Schlappheit – das letzte Getränk des Abends/der Nacht und ein Bügeleisen zum Glätten der Falten.

    mit nüchternen Grü�en

    das Kneipen-Orakel

  16. mcwinkel sagt:

    Wassermassageliege?
    Sowas muss ich haben!

  17. Mischi sagt:

    You too will succumb to the power of the dark, pardon me, I meant „Forever-Young“ side!

  18. whocares sagt:

    Tja, vollends aus dem Beuteschema gefallen, dabei dachte ich, dass graue Haare attraktiver machen. Nun, Wassermassageliege tönt interessant aber mein Wasserbett tuets auch ;-))

  19. le sagt:

    .. ich würde das chnübli auch nicht stehen lassen .. allein schon weil mann so schön über sie lachen kann.

    Ja .. nein .. nun aber nicht gleich wieder falsch verstehen!

  20. ChliiTierChnübler sagt:

    @Nighlife: Das ist aber nicht gut für Dein Kopfweh.

    @Anonym: Es war auch noch Long Island Ice Tea dabei

    @Gniesser: Glücklicherweise stehe ich nicht auf den normalen Standardmann.

    @Florian: Jä was meinst Du, warum ich da mit der Hand das halbe Gesicht verdecke?

    @Das Blogorakel: Nüchterne Grüsse zurück.

    @MC Winkel: Das ist schweineteuer. Da müssten Sie schon fast zur Familie gehören um von den Einkaufsprozenten zu profitieren.

    @Mischi: Ei dont spiiik inglisch in mei weblog.

    @Whocares: Du hattest Deine Chance.

    @Le: Lachfalten sollen Männergesichter ja erst interessant machen. Schön, dass ich Dir da helfen konnte :-P

  21. rouge sagt:

    Interessant, jetzt wo Du’s erwähnst: Das Ticket für den Clubbesuch nächsten Freitag kostet auch 30 Franken. hrmpf

  22. Dr Sno* sagt:

    „Weit über Dreissig“??

    Ich sollte hier nicht mehr lesen – das zieht einen ja runter…

    //off to get some bacardi cola

  23. brtn sagt:

    In der Situation erinnere ich mich gerade an einen guten Freund meinerseits aus dem Volleyballverein. Er ist Beamter und 36 – und im inneren eigentlich noch 22. Immer mit unterwegs, auf Parties und auf Snowboard-Touren; Humor, und trotzdem Ernsthaftigkeit wenn man ihn braucht.
    Kommt es beim Alter denn wirklich auf die Zahlen an?

  24. Anonymous sagt:

    Nicht auf die Zahlen, aber wenns ums zahlen geht :)

  25. Krankengeschichte ergänzen: