One moment in time

Es gab eine Zeit, da habe ich nur von Erzählungen von Freundinnen gewusst, wie küssen geht. Ich war ein Spätzünder. Behaupte allerdings bis heute, dass es an der unglücklichen Brillenwahl lag. Sie war blau. Blau! Bis heute kommt mir ausser Jeans nichts Blaues mehr ins Haus. Ich bin blaumatisiert sozusagen. Zu dieser Zeit mochte ich den Winter noch. Ich wohnte praktisch auf der Eisbahn. Nahm Eiskunstlaufunterricht und gab das 2-Franken-Stück nicht für Schleckzeug aus, sondern fütterte damit die Juckebox und wählte immer die gleichen zwei Lieder: Europe – The Final Countdown und Whitney Houston – One Moment In Time. Ich drehte dazu meine etwas unbeholfenen Pirouetten. In dieser kitschigen Zeit zwischen dem Pferdeheftchen „Conny“ und der „Bravo“ träumte ich von meiner ersten Schwärmerei.

Damals war ich unglaublich verliebt in Manuel*. Doch er hatte nur Augen für meine beste Freundin. Jeden Tag musste ich vor dem Velokeller Eins des Gymnasiums mit ihr warten, bis er sich zu uns gesellte. Da sie zu schüchtern war, alleine mit ihm zu reden, hatte sie mich vorgeschoben. Ich stand also da und sprach gefühlte Stunden mit ihm während sie ihn anschmachtete. Zuhause schrieb ich dann in die hellblauen Seiten meines Tagebuchs, was er mir heute erzählte. Rückblickend kann ich immer noch nicht fassen, dass ich das fast 3 Jahre lang mitmachte. Andererseits war es eine wunderschön unschuldige Zeit. Vom ersten Verliebtsein bis zum ersten Kuss. In dieser Zeit war ich mit meiner Freundin und Manuel im Kino Canva „Bodyguard“ schauen. Die beiden war kurz zuvor im Skilager ein Paar geworden und mir besorgte sie auch ein Date namens Michael. Der Arme musste gegen Kevin Costner antreten und verlor. Ich blieb noch ein weiteres Jahr ungeküsst und in der Jukebox lief nun „I Will Always Love You“.

Kürzlich hat mich Manuel auf Facebook hinzugefügt. Er ist nun verheiratet und hat eine Tochter. Seine Frau ähnelt meiner blonden Freundin. In seine Augen könnte ich mich auch heute immer wieder verlieben.

Danke Manuel – Dein richtiger Name bleibt natürlich geheim verschlossen im blauen Tagebuch – und danke Whitney Houston, Heldin meiner pubertierenden Jugend. Es war eine aufregende Zeit mit Euch. Schade ist nun ein Teil davon für immer gestorben.

Tags: ,

8 Patienten zu “One moment in time”

  1. Man in Helvetica sagt:

    Sehr schön geschrieben und eine Frage noch: Können Sie „blau machen“ oder geht Ihnen das gegen den Strich, wertes Chnübli?

  2. Man in Helvetica sagt:

    Ehm,… „für immer gestorben“,… musste doch etwas schmunzeln,… nette Formulierung.

  3. ChliiTierChnübler sagt:

    Herrlich pleonastisch, ich weiss. Und blau mache ich in der Tat nie.

  4. kleinstadtgoere sagt:

    In der Tat schön geschrieben. Die Bilder in meinem Kopf gehen sofort in die Richtung dieses Films mit Sophie Marceau. Wie hieß der doch gleich? Ah ja.. La Boum – die Fete.

  5. ChliiTierChnübler sagt:

    @Kleinstadtgöre: Flaschendrehparties. Manchmal ist es auch gut, sind diese Zeiten vorbei.

  6. freezie sagt:

    so schön geschrieben.. und der velokeller.. ja erinnerungen sind wunderschön ! und es ist ja schon so sehr lange her.. :-) Danke liebe Chnübli!

  7. Samira sagt:

    Äh sorry, aber hiess / heisst das Pferdeheftchen nicht Wendy anstatt Conny? :)

  8. ChliiTierChnübler sagt:

    @Freezie: Hach ja, das waren noch Zeiten oder? Wir sollten uns mal auf einen Kafi treffen, und ich würd dann gerne wissen, ob Du erraten konntest, wen ich hier beschrieb ;)
    @Samira: Es gab das Wendy und das Conny in der Schweiz. Und natürlich auch das Wendy- und das Conny-Fanlager. Du gehörst wohl in das erste.

  9. Krankengeschichte ergänzen: