Toilettenschlangen und Men in Trees

Nirgends solidarisieren sich Frauen so selbstverständlich, wie in der nicht enden wollenden Schlange vor dem Damenklo eines Clubs. Jede neu hinzustossende Dame zieht enttäuscht die Augenbrauen hoch und die restlichen quittieren den Blick mit einem kameradschaftlichen Achselzucken. Alle lächeln gequält und das Spiel beginnt bei der Nächsten von vorne. Wer besonders lange eine Toilette blockiert hatte, wird somit auch gleich solidarisch von der ganzen Gruppe verächtlich angeschaut beim Verlassen des Raumes.

Besonders dringend muss man eigentlich nie. Als Frau hat man sich in Clubs aber einen regelmässigen Pinkelrhythmus angewöhnt, der sich aus einer nicht näher zu definierenden Formel aus Getränkekonsum, Anzahl Toiletten und Position des Spiegels ergibt. Das Ganze  wird instinktiv in Bezug zum Alter und Anzahl der weiblichen Clubbesucher gesetzt. Je jünger das Publikum, desto länger ist die Wartezeit. Am längsten wartet man, wenn sich der Spiegel und das Lavabo innerhalb des abschliessbaren Toilettenraums befinden.

„20 Minuten.“
Sie beantwortete die Frage bevor ich sie stellte. Gut hatte ich vorher meinen flüssigen Proviant auffüllen lassen und guckte die Treppe hoch, wo schätzungsweise 20 Frauen geduldig warteten. Das konnte nur bedeuten, dass es entweder wenige Toiletten gab oder aber der Spiegel nicht ausserhalb angebracht war.

Ein Typ der Security tauchte auf und wollte einige der Damen überreden, die Dixieklos ausserhalb der Kirche zu benutzen.
„Nur 5 Minuten Anstehzeit.“

Er wurde ausgelacht. Wer steht schon eine halbe Stunde im Badezimmer und föhnt sich die Haare schön, um wegen einer Pinkelpause den Regen und Wind die ganze Arbeit zunichte machen zu lassen? Und schliesslich war das eine Oldies-Party. Die meisten der anwesenden Frauen fanden sich in Toilettenschlangen besser zurecht als in der neuen Kollektion von H&M.  
Unter mir wurde auf Italienisch etwas besprochen und kurze Zeit später zwitscherten sie einen der ABBA-Songs mit. Es war ansteckend. Selbst ich wippte mit, obwohl ich mich eher zum kuhlen Beobachtungstyp zählen würde in solchen Situationen. Immer wieder kletterte ein meist jüngeres, weibliches Wesen die Treppen hoch, in der festen jugendlichen Ignoranz oder Naivität, dass 20 wartende Damen bestimmt nicht für die Entsorgung von Harnstoff und ähnlichen Abfallprodukten brav in einer Reihe stehen würden. Zur Solidarität einer Schlange gehört es aber auch, niemanden oben reindrängen zu lassen. Auch wenn sie s’Schmusi vom Securitychef höchstpersönlich ist.

„Draussen hat’s noch Dixieklos. Nur 5 Minuten Anstehzeit.“
Was haben wir gelacht.

Auch die Wartezeit bei den Männern schien höher als normal zu sein. Etliche schielten zu uns rüber. Wir standen ja auch wie auf dem Präsentierteller da. Ich versuchte die Blicke zu ignorieren – gefallen tat mir eh keiner so richtig. Dass ich die Einzige mit einer Bierflasche war, machte mich allerdings nicht unauffälliger. Ein Hüne mit blonden Haaren und Bart schaute mich schon wieder an. Gut, dass er bald sein Geschäft erledigen konnte. Mich trennten auch noch 4 Frauen vor meinem Ziel. 3 in meinem Alter und eine überschminkte Jüngere. Machten 3 plus 5 Minuten Wartezeit.

Und dann stand er vor mir, der Hüne und wollte nicht mehr weitergehen. Auf ein floskeliges „Du bist mir sofort aufgefallen“ kam mein „Logisch, ich war ja die Einzige mit einem Bier in der Hand.“ Aber er hatte Mut, denn ich war nicht besonders in Flirtlaune und ziemlich bissig. Es ging hin und her und sein Akzent war unverkennbar. Wir wechselten ins Englische und irgendwie macht mich diese Sprache immer zahm. So erfuhr ich, dass er aus einem kleinen Dorf in Kanada stammt, wo es gerade mal 5 Haushalte und einen Telefonanschluss gab. Irgendetwas an ihm faszinierte mich. Er wartete auf mich, ich pinkelte in 45 Sekunden (inklusive 15 Sekunden Kajalcheck beim Händewaschen) und tanzte dann mit meinem Man in Trees bis in die frühen Morgenstunden.

Ein klassischer Abend also, wie wir Frauen es mögen: Mann spricht Frau an, es entwickelt sich irgendwie ein Gespräch, das unwichtig wird, weil er gut tanzen kann. Und zum Schluss fehlte nur noch, dass er seine Nummer aufschreibt und die Dame verspricht sich vielleicht zu melden.

Was ich auch tat – 40 Stunden später.

Tags:

12 Patienten zu “Toilettenschlangen und Men in Trees”

  1. Primo sagt:

    Ich war nur einmal in dieser Kirche an der Oldies Party. Die Schlange beim Frauenklo schien mir damals auch sehr lange zu sein. Man sollte diese wohl nicht als „Jagdrevier vernachlässigen“. Vielleicht mit einem Spruch „Kann ich dir nachher bei der nächsten Tankfüllung behilflich sein?“ :D

  2. ChliiTierChnübler sagt:

    Ih nein, da ist ein ehrliches „Du bist mir sofort aufgefallen“ viel besser!

  3. Domi sagt:

    Muss ja ein komischer Ort sein, wenn es da ausser dir keine biertrinkenden Frauen gab… ;)

  4. ChliiTierChnübler sagt:

    Die meisten trinken zuerst aus und gehen dann zur Toilette.

  5. Flo sagt:

    Und die klugen nehmen gleich was zum Trinken mit, weil sie wissen wie lang sie noch anstehen?!

  6. rouge sagt:

    Das mit der längeren Dauer bei der Herrenschlange lässt sich bei einer Oldiesparty übrigens leicht erklären: Prostataprobleme ;-)

  7. ChliiTierChnübler sagt:

    @Flo: Eher die Durstigen :)
    @rouge: Noch ein paar Jährchen Gnadenfrist für Dich also?

  8. DJ Brutalo sagt:

    klingt nach Barfussdiskko, holt man sich da nicht den Wolf in einer halbstündigen Toilettenwarteschlange? Das Wegbier scheint mir allerdings vernünftig.

  9. FrauvonWelt sagt:

    In derartigen Situationen, liebe Lady Chnübli, bin ich immer gleich auf’s Männerklo. So bin ich zweifach schneller zum Erfolg gekommen.

    Herzlich und die Blicke waren’s immer wert
    Ihre FrauvonWelt

  10. tinu sagt:

    Wer weiss, ob du nicht eine neue Mode lanciert hast. Alle stehen mit der Bierflasche vor der Toilette Schlange und die Tanzfläche bleibt leer.

  11. ChliiTierChnübler sagt:

    @DJ Brutalo: Wir Frauen stehen ja schon an, BEVOR wir müssen. Das Wegbier hilft dann zusätzlich, dass die Blase gefüllt ist und sich das Anstehen gelohnt hat.
    @FrauvonWelt: Ich würde einmal vor einem Herrenklo weggewiesen. Nicht, weil ich da nicht rein dürfte, aber der Herr hatte anscheinend Probleme in die richtige Richtung zu pinkeln meinetwegen :)
    @tinu: Darf gerne nachgemacht werden, ich hab meinen Hünen ja nun.

  12. freezie sagt:

    Kanada.. das Land der Träume, sage ich da nur… :-)

  13. Krankengeschichte ergänzen: