7’39“
Ich atme tief ein und fahre mit meinen Händen den schwarzen Stoff entlang. Das feine Knistern des wallenden Stoffs löst in mir ein vertrautes Gefühl der Leidenschaft und Hingabe aus. Mein Tangokleid, wie ich es liebevoll nenne, hatte lange genug ungenutzt im dunkeln Schrank gehangen. Es gab keinen besonderen Grund, es ausgerechnet heute Abend anzuziehen.
In meinem Gaumen spüre ich die Verführung von Schokolade und Rosinen. „Im Gaumen komplex und verführerisch wie Brigitte Bardot und charakterstark wie Winston Churchill.“ Chandra hätte den Primitivo nicht treffender beschreiben können.
Den nächsten Schluck Wein behalte ich länger im Mund und blicke hinaus auf meine Stadt. Es ist menschenleer. Schuld daran sind 22 Männer und ein Ball oder der bedrohliche schwarze Vorhang, der sich vom Jura her unaufhaltsam nähert.
Die sanften Klänge von Bohren & The Club Of Gore mit ihrem Maximum Black passen perfekt zur Szenerie.
Ich spüre einen Windhauch an meinem Ohr, der Wind flüstert leise „Tanz mit mir“. Ich spüre deine Lippen an meinem Hals, deine Hände ziehen mich sanft vom Fenster weg. Du ziehst mich in die Mitte des Saals. Ich geniesse mit angespanntem Körper den Umweg deiner rechten Hand, sanft der Taille entlang und dann langsam rückenwärts gleitend bis du mich sanft aber bestimmt an dich drückst. Ohne meine andere Hand zu fassen, bewegst du uns beide im Takt der Musik. Ich schliesse die Augen und geniesse deine Berührungen. Ich spüre deine Fingerspitzen, wie sie meinen Schultern entlangfahren und auf ihrem Weg Millionen von explodierten sensiblen Nervenendigungen hinterlassen, wie auf einem Schlachtfeld der Erregung und Lust. Ich atme tiefer ein. Wieder spüre ich den saften Windhauch deines Atems auf meinem Gesicht. Während du mit der rechten Hand unsere Körper millimetergenau in Tanzposition hälst, erschwert mir die Exploration der anderen an meinem Körper entlang das kontrollierte Atmen. Kleinste Muskelvibrationen der Hautfelder, die du bereits entdeckt hast, Gänsehaut dort, wo du noch erwartet wirst. Sanfte Lippen, die mein Gesicht liebkosen und die meinigen ungeküsst passieren. Zwei Körper im Takt der Musik, völlig verschmolzen. Die elektrisierende Spannung scheint sich erlösend zu entladen.
Ich spüre Schweissperlen, die meine nackten Arme hinunter perlen. Mein Kleid klebt an meinem nassen Körper. Mir fröstelt; ich öffne die Augen. Ich stehe immer noch am offenen Fenster. Es hat zu regnen begonnen. Der sich zu einem Sturm formende Wind peitscht mir das Wasser ins Gesicht. Ich bin bis auf die Haut durchnässt. Das Weinglas in meiner Hand ist leer und ich bin alleine im Raum. „Komplexität in jedem Schluck. Ein voller Wein, der Geschichten zu erzählen mag.“ Wie wahr!
26. Juni 2006 um 00:04
das auge wird beherrscht von nachdrücklich violett klingenden tönen, bläulich blinkend…was sagt da tucholsky „schade, dass man(n) wein nicht streicheln kann“…wie wahr:-)
im wein liegt die wahrheit…im weinkeller der dolbi
26. Juni 2006 um 06:44
Yeah geil Baby ! Tu mir nen Gefallen und poste sowas bitte jeweils VOR dem Wochenende damit ichs auch geniessen kann !
ich melde mich zurück und sehe es ist was gegangen, käpfe mich jetzt durch deinen Blog und verhaue nen paar Bösewichte ! Isch biiiin deeeeinn Wiiiiiiiindhauch, schmatz
26. Juni 2006 um 11:13
bi söttig täxte klick ich natürlich gärn für „texte“
wörd gärn mal telefoniere mit diär, das wär sicher no interessant. greeezz paulchen (nöd dä vo funfactory smile)
27. Juni 2006 um 16:38
@dolbi: bin froh wenn man(n) nicht den Wein sondern mich streichelt!
27. Juni 2006 um 23:24
Hallo,
gut geschrieben, kaum Grammatikfehler, bravo.
28. Juni 2006 um 15:17
„Allei isch’s villech oh liechter alleini z sii. Da weisch was’d hesch u was dir fäut.“
Gut wenn man’s weiss. =)
LG, ichdarfdas
28. Juni 2006 um 22:54
DU fäuhsch mier. LG T.
29. Juni 2006 um 07:56
Gelungenes „Gedanken-Kino“:)
29. Juni 2006 um 15:58
@chliitierchnübler
also wie könnte man dich nicht streicheln und einen wein, auch den besten, dir vorziehen? smile
es ist immer eine freude zu lesen, wenn menschen mit sprache umgehen können. deine zeilen sind sinnlich und nahrung für fantasie.
lieber gruss
3. Juli 2006 um 08:32
Eindrücklich!
Schade kann ich das nicht sein der mit dir da tanzt.
Ich beneide den Mann deiner Wahl jetzt schon um diese erotische Frau mit Phantasie
LG Mauro
17. Juli 2006 um 18:00
GEIL!
7. Dezember 2006 um 23:47
Bravo! Die Identität des Weins preiszugeben bist Du uns noch schuldig. Ich probier schon seit geraumer Zeit, ohne Erfolg auf Bier ähnliche Eingebungen heraufzubeschwören.
24. Januar 2007 um 11:38
Hmm, schon der zweite Blog der so anfängt…. Langsam habe ich den Verdacht Du könntest eine verdeckte „Konsalik“ Autorin sein… ;-)
Krankengeschichte ergänzen: