Darf ich vorstellen
Dienstag, Mai 20th, 2008An den meisten Hochzeiten gibt’s eine Vorstellungsrunde der Gäste durch die Brautleute. Die sollte möglichst kurz und knapp ausfallen und trotzdem das Wichtigste enthalten. Die Beschreibung meiner Person hat für einmal wieder die alte Frage nach meinem Beuteschema an die Oberfläche geholt, meinte doch der Bräutigam:
„Im Gymnasium kannten wir uns nur von sehen. Ich war ein Verbindungstyp und sie war eher an Surfern und Kiffern interessiert.“
Und es stimmte. Ich begann meine Männerkarriere zwar mit einem gelegenheitskiffenden Bassisten, wechselte aber dann rasch zu den wochendendbekifften Snowboardern. Dort blieb ich eine Weile, lernte Kurven skaten und dass bei schönem Wetter im Sommer geklettert werden muss, wenn nicht gerade ein Meer in der Nähe lag. Wir tingelten an die Openairs und meine musikalische Bildung schwankte zwischen Funk, Indie und Rock, vermischt mit etwas Oldschool Hippedihop. Ich lernte kochen, weil meine Freunde wegen Tetrahydrocannabinol ständig Hunger hatten. Die Haarfarbe und -länge meiner Surfer blieb konstant blond und schulterlang. In den Ferien ging man an den Strand mit dem Camper und die Männer hackten oben ohne Holz. Sie trugen alle so ein Holzketteli um den Hals und Lederbänder am Handgelenk. Irgendwie machten sie aber alle noch Musik und so war mancher Jack Johnson mit uns am Strand. Ich hatte allerdings nie die, die Gitarre spielen und singen konnten. Ich stoppe hier mal mit den Aufzählungen der Surfer – es wird sonst einfach zu ausführlich.
Mit Beginn des Studiums wollte ich etwas seriöser werden und schnappte mir einen Surfer, der nicht kiffte. Die Haarfarbe der Typen wurde dunkler aber die Länge blieb. Irgendeinmal stellte ich dann fest, dass mir Surfen eigentlich keinen Spass machte und ich nicht immer das Salz unter meinen Kontaktlinsen rausspülen wollte. Kurz darauf fand ich auch Snowboarden nicht mehr so toll und endlich konnte ich mich auch vor dem Klettern drücken. Ohne Sport hatten wir plötzlich nicht mehr so viel gemeinsam.
Der nächste hatte dann endlich einmal eine „normale Frisur“. Doch es war schon wieder ein Strand- und Wassersportler. Irgendwie sehen die wohl alle besser aus. Ich holte mir blaue Flecken an den Unterarmen als seine Sparringpartnerin im Beachvolleyball und er war dafür bereit, mit mir zu tanzen. Eines schönen Tages aber wollte er nicht mehr tanzen, er fand auch die Musik, die ich hörte zu laut, Konzerte sowieso übelst und als er dann anfing Soul und House zu hören, blieb mir nichts anderes übrig als mein feingeschultes Rockgehör zu befreien.
Ich hörte wieder vermehrt Rock und Heavy Metal und im CD-Regal meiner nächsten Liebe dominierte die Farbe schwarz. Dieser Mann ist mir rückblickend bis heute der Wichtigste. Ich merkte endlich, dass mir kulturelle Aktivitäten und Konzerte wichtiger sind als Sport. Am Sonntagmorgen hatte ich jetzt wieder eine Zeitung und Morgensex statt 10 Kilometersprints mit den Inlineskates oder gezwungenes Montainbiken, weil morgens keine Wanderer auf der Strecke waren. Sport diente mir fortan nur noch als notwendiges Übel, damit ich an den Vernissagen nicht dunkelgewandet in 1000 Tüchern erscheinen musste, wie viele der intellektuellen Damen dort.
Ich fand Gefallen an schönen Kleidern und lief nicht mehr in Shorts, Bikinioberteil und Flipflops durch die Gegend. Interessanterweise aber war ich nun nicht mehr in der Zielgruppe der Surfer. Ich war einfach zuwenig kuhl. Mit den schönen Röckchen kamen dann strenger gekleideten Herren. Sie studierten BWL, Wirtschaft oder Jura. Ihre politische Einstellung war meilenweit von meiner entfernt, das Kofmehl kannten sie nur vom Hörensagen und ihre kulturellen Interessen beschränkte sich meistens auf die im Kulturplatz vorgestellten Themen. Unsere Väter kannten sich vom Golfclub und sie waren meistens fasziniert von mir. Schlussendlich aber wählten sie immer ein dekoratives Huscheli als Freundin; ich war ihnen zu wild und sie mir zu langweilig.
Seither war ich erst zweimal richtig verliebt. Einer war einfach genauso, wie ein Mann für mich sein sollte: Intelligent, politisch wie musikalisch interessiert, kommunikativ, gutaussehend, schönes Lachen, bester Sex, Aura. Diese Geschichte endete höchst unerfreulich für mich.
Somit hatte ich überhaupt kein Beuteschema mehr. Ich liess mich treiben und wollte irgendwie verliebt sein und irgendwie war ich es auch, aber irgendwie doch wieder nicht. Meine Bereitschaft zu investieren war plötzlich sehr klein. Mein Beruf stand an erster Stelle und Männer, die mit mir vor wichtigen Operationen Beziehungsprobleme diskutieren wollten, statt mich meine Papers lesen zu lassen, hatten es sehr schwer.
Und dann kommt einer, der sich in kein Schema pressen lässt. Von dem ich nur Sex wollte und der dann doch eines Tages mein erster Gedanke war nach dem Aufwachen. Und da er nicht so fühlt, musste ich gehen. Nicht weil er das so wollte, sondern weil ich mitten im Prüfungsstress nicht so wunderbar sein kann, dass er sich vielleicht doch noch eines Tages in mich verlieben könnte und weil mich diese Ungewissheit vom lernen abgehalten hat. Ich denke, es war ein Fehler.
Dennoch: Morgen höre ich auf, an ihn zu denken und beginne mit lernen.
Was wurde eigentlich aus all den Surfern und Kiffern?